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Autorenbildsusakarr

Denken und die Furcht vor dem Tun

Aktualisiert: 28. Okt.




-Sag mal Zebra, was hältst du davon, dass Philosophen manchmal fast religiös verehrt werden?, fragt Okapi mit listigem Gesichtsausdruck.

 

-Ist das eine Fangfrage?, will Zebra wissen.

 

-Nein, durchaus ernst gemeint, mit offenem Ausgang, versichert Okapi. -Ich frage nur, weil mir das bei einer Konferenz neulich so aufgefallen ist… und dann habe ich mich erinnert, dass die Philosophie ja lange mit der Theologie gekoppelt war.

 

-Ancilla theologiae! zitiert Zebra mit Genugtuung. -In der Tat. Aber was sind die näheren Umstände? Um was ging es?

 

-Du wirst lachen. Um ein männliches Genie. Jemand der dieses Jahr 300 Jahre als geworden wäre.

 

-Gibt es denn andere Genies als Männer? fragt Zebra mit unschuldiger Miene.


Okapi schnaubt.


-Also meinst du Immanuel Kant?, fragt Zebra. Er war aber wirklich ziemlich außergewöhnlich, das muss man schon zugeben.

 

Okapi nickt. -Selbstverständlich, das will ich gar nicht bestreiten. Dennoch gibt es einige Beobachtungen seinerseits, die ganz klar der Zeit, den Umständen und einer gewissen Forschungslage entspringen. Wie er Menschen aus anderen Weltgegenden beurteilte oder was er von Tieren hielt… davon will ich jetzt gar nicht anfangen. Da ist schon kritischer Geist gefragt, wenn man sich damit beschäftigen will – und eins zu eins Gedanken oder Argumente übernehmen ist wohl eher der religiöse Stil.  Und in diesem Zusammenhang finde ich es höchst erstaunlich, um nicht zu sagen, erschütternd, dass seine Worte für bare Münze genommen werden…

 

-… wie bei manchen Menschen, die die Bibel wörtlich nehmen? Meinst du das?, fragt Zebra.

 

-Genau. Konkret ging es um die Beschreibung, wie der Ochse den Stall wahrnimmt. Zugegeben, ein avantgardistisches Gedankenspiel für jemanden, der den Menschen als Zentrum und Angelpunkt des Universums beschreibt. Aber, und das ist mein Einwand: woher weiß Kant das? Ich persönlich finde es ja sympathisch, dass er sich das vorzustellen versucht, aber eben immer aus dieser – wie soll ich sagen – etwas minderbemittelten Perspekitve des unterlegenen Wesens. Intellektuell völlig unterbelichtet, wie er Tiere empfand. Und dazu kommt, dass er kaum Kontakt mit realen Tieren in seiner Lebenswirklichkeit hatte. Abgesehen davon, dass die Beurteilung eines Verhaltens schwierig ist, wenn das Tier in aufgezwungenen Verhältnissen lebt - in Gefangenschaft.

 

-Ich verstehe dass dich das verdrießt. Aber wundern kann es dich eigentlich nicht, wenn du dir das Umfeld zu der Zeit ansiehst… wirft Zebra ein.

 

-Das war ja auch nicht der springende Punkt! entgegnet Okapi aufgeregt. -Das wirklich Absurde war ja, was jener Vortragende auf die Frage, warum diese Beobachtung Wahrheitsgehalt haben soll, antwortete!

 

-Du machst es spannend!

 

Okapi holt tief Luft. -Die Antwort war: Weil Kant auch auf dem Gebiet der Vorstellungskraft so außergewöhnlich war, konnte er das genau erfassen. Und als Beweis wurde angeführt, dass er auch das Erhabene mit Gebirgslandschaften zu beschreiben wußte – obwohl er nie dort gewesen war.

 

-Das ist nicht wahr, oder? Kann nicht sein.

 

-Doch, genau so hat es stattgefunden. Ich war sprachlos. Wie sollen Studierende der Philosophie mit so einem Ansatz selbst, und auch noch kritisch, denken lernen? Und noch dazu war der Professor keineswegs alt.

 

-Kyrie eleis, kann ich da nur sagen, witzelt Zebra.

 

-Das wird in dem Fall nicht helfen. Nein, ich sage dir jetzt noch meine Conclusio, sagt Okapi. -Und ich sage sie aufmunternd und in guter Absicht. Es gibt viele Philosophen, die nichts mit der Praxis zu tun haben wollen und die Konsequenz daraus, die vorläufige, ist für mich, dass sie Angst haben den Boden unter den Füßen zu verlieren, wenn sie sich hinauswagen aus ihrem Theoriegebäude. Das ist aber notwendig! Nur dann kann es Erkenntnis geben.

 

-Ja, es hat etwas Edles, die Theorie mit der Praxis zu verbinden! Ich glaube, das ist oft eine Herausforderung.

 

-Offensichtlich gerade für die Philosophie. Da ist noch Luft nach oben!, meint Okapi mit Nachdruck. -Und jetzt gehe ich eine Runde spazieren.

 

-Ich begleite dich. Weil es nicht das gleiche ist, wenn ich mir das nur vorstelle, sagt Zebra mit sanftem Augenaufschlag.






Thought and the Fear of Doing


-Zebra, what do you think of the fact that philosophers are sometimes worshipped almost religiously? Okapi asks with a sly look on its face.


-Is that a trick question? - Zebra wants to know.


-No, it's meant seriously, with an open outcome, assures Okapi. -I'm only asking because I noticed that at a conference the other day... and then I remembered that philosophy was linked to theology for a long time.


-Ancilla theologiae! quotes Zebra with satisfaction. -Indeed. But what are the circumstances? What was it about?


-You will laugh. A male genius. Someone who would have been 300 years old this year.


-Are there other geniuses than men? Zebra asks with an innocent expression.


Okapi snorts.


-So you mean Immanuel Kant? Zebra asks. But he really was quite extraordinary, you have to admit.


Okapi nods. -Of course, I won't deny that. Nevertheless, there are some observations on his part that clearly stem from the time, the circumstances and a certain research situation. How he judged people from other parts of the world or what he thought of animals... I won't even go into that now. A critical mind is required if you want to deal with this - and adopting thoughts or arguments one-to-one is probably more the religious style.  And in this context, I find it highly astonishing, not to say shocking, that his words are taken at face value...


-... like some people who take the Bible literally? Is that what you mean?” asks Zebra.


-Exactly. Specifically, it was about the description of how the ox perceives the stable. Admittedly, an avant-garde mind game for someone who describes man as the center and pivot of the universe. But, and this is my objection: how does Kant know this? Personally, I like the fact that he tries to imagine this, but always from this - how shall I put it - somewhat inferior perspective of the inferior being, as he described animals. Completely underexposed intellectually, as he perceived them. What's more, he had hardly any contact with real animals in the everyday context of his life. Apart from the fact that it is difficult to evaluate behavior when the animal lives in forced conditions - in captivity.


-I understand that this annoys you. But you can't really be surprised if you look at the surroundings at the time... interjects Zebra.


-That wasn't the point! Okapi replies excitedly. -The really absurd thing was what the lecturer answered when asked why this observation should be true!


-You 're creating suspense now!


Okapi takes a deep breath. -The answer was: Because Kant was so exceptional in the field of imagination, as well as in other fields, he was able to grasp it precisely. And as proof, it was cited that he also knew how to describe the sublime with mountain landscapes - even though he had never been there.


-That's not true, is it? It can't be.


-Yet, that's exactly how it happened. I was speechless. How are students of philosophy supposed to learn to think for themselves, and critically, with such an approach? And what's more, the professor was by no means old.


-Kyrie eleis, I can only say, quips Zebra.


-That won't help in this case. No, I'll tell you my conclusion now, says Okapi. -And I say it encouragingly and with good intentions. There are many philosophers who don't want to have anything to do with practice and the provisional consequence of this, for me, is that they are afraid of losing the ground under their feet if they venture out of their theoretical building. But that is necessary! Only then can there be insight.


-Yes, there is something noble about combining theory with practice! I think that is often a challenge.


-Obviously especially for philosophy. There's still plenty of room for improvement, says Okapi emphatically. -And now I'm going for a walk.


-I'll walk with you. Because it's not the same if I just imagine it, says Zebra with a soft look in its eyes.



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